Transkript: Kümmern ist Mehrwert – warum Care-Arbeit systemrelevant ist

00:00:00 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Corona hat uns ja gezeigt, man kann alles runterfahren. Aber nicht diese täglichen Arbeiten des sich kümmerns, Kinder zu versorgen, Alte zu versorgen, Kranke zu versorgen.

00:00:10 Nina Harder:

Ich finde, dass Alleinerziehende echt, in irgendeiner Form, Superheldinnen sind.

00:00:16 Musik

00:00:34 Susanne Klingner:

Hallo und herzlich Willkommen zu zeitgerecht, dem Podcast von Oxfam zu Ungleichheit und Feminismus. Ich bin Susanne Klingner und in dieser dritten Folge sprechen wir über ein etwas merkwürdiges Phänomen. Es geht um ganz alltägliche Tätigkeiten, die in unserer aller Leben auf die ein oder andere Weise vorkommen, wie zum Beispiel waschen, putzen, kochen, Kinder erziehen oder Angehörige pflegen. Die Bedeutung dieser Tätigkeiten ist für unsere Gesellschaft immens. Nur irgendwie scheinen sie trotzdem grundsätzlich nicht viel wert zu sein, zum Beispiel im Vergleich zu klassischer Erwerbsarbeit und sie bekommen von Politik und Wirtschaft ganz schön wenig Aufmerksamkeit.
Also, was läuft da schief? Wir sprechen dazu mit Nina Harder, eine alleinerziehende Mutter, die findet, dass ein grundsätzlicher Wertewandel ziemlich überfällig ist, wenn es um das Thema Pflege und Fürsorge geht.

00:01:23 Nina Harder:

Es geht ja am Ende einfach nicht nur um mich, kann es auch gar nicht, dafür ist es ja Sorgearbeit. Ich sorge um jemand, der oder die das nicht von sich aus mehr oder noch nicht kann.
Und das heißt das Wohl muss ja eigentlich genauso wichtig sein, zumindest wie das von mir.

00:01:40 Susanne Klingner:

Außerdem hat uns Purity Jebor davon erzählt, wie sie in Kenia dafür kämpft, Frauen einen besseren Zugang zur Politik zu verschaffen.

00:01:49 Purity Jebor:

Ich denke, dass unbezahlte Pflege- und Sorgearbeit tatsächlich die größte Barriere ist, die Frauen daran hindert, sich an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen.

00:02:05 Susanne Klingner:

Als erstes sprechen wir aber mit Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe.

00:02:08 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Im Grunde genommen kann man das Ganze sogar so zuspitzen und sagen, unsere ganze Gesellschaft und auch die Wirtschaft könnten ohne diese Care-Arbeit gar nicht auskommen.

00:02:20 Susanne Klingner:

Darauf kommen wir gleich nochmal zurück. Doch bevor wir uns damit genauer beschäftigen, wollen wir erstmal kurz klären, was ist eigentlich Care-Arbeit genau?
Das Wort Care kommt aus dem Englischen, das man in etwa mit Pflege oder Fürsorge oder sich kümmern übersetzen kann. Als Care-Arbeit gelten daher alle unbezahlten Tätigkeiten der Pflege, Zuwendung, Fürsorge und Versorgung, die für sich selbst, den eigenen Haushalt oder ehrenamtlich für andere Haushalte erbracht werden. Dazu zählen kochen, waschen, putzen, einkaufen, Kinder erziehen und Kranke versorgen. Vor allem in ländlichen Gegenden des globalen Südens kommen oft zeitaufwändige Tätigkeiten wie das Sammeln von Brennholz oder Wasserholen dazu. Diese Arbeit kann prinzipiell auch bezahlt und professionell als Erwerbsarbeit geleistet werden, beispielsweise von Erzieher*innen, Altenpfleger*innen oder Hausarbeiter*innen.

Und noch eine kleine Anmerkung vorweg: Beim Thema Care-Arbeit spielt Familie eine wichtige Rolle.
Wir beziehen uns in dieser Folge vor allem auf heterosexuelle Paarbeziehungen. Das deckt natürlich nicht das ganze Spektrum an Familienkonstellationen ab, die es gibt.

00:03:30 Musik

00:03:36 Susanne Klingner:

Zurück zu Uta – sie hat sich das Thema Care-Arbeit zum Beruf gemacht. Als emeritierte Professorin für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienforschung war sie außerdem Mitglied der Sachverständigenkommission für den zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung und sie war Mitautorin des 2020 erschienenen Equal Care Manifests. Uta sagt also, Care-Arbeit ist die Basis unserer Gesellschaft. Besonders deutlich wird es zum Beispiel aktuell in der Corona Krise.

00:04:05 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Corona hat uns ja gezeigt, man kann alles runterfahren. Aber nicht diese täglichen Arbeiten, des sich kümmerns, Kinder, Kleinkinder zu versorgen, Alte zu versorgen, Kranke zu versorgen und eben auch die Lebensmittelversorgung aufrechtzuerhalten.

00:04:22 Susanne Klingner:

Wenn diese Tätigkeiten so wichtig sind, dann müssten sie doch eigentlich auch entsprechend anerkannt werden, oder?

00:04:29 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Das bedeutet, dass seither einfach auch sämtliche Wohlstandsmaße unserer Gesellschaft, also eines ist ja dieses BIP, diese unbezahlte Arbeit überhaupt nicht ausweist. Und man kann zum Beispiel für Deutschland sagen, dass selbst wenn man die unbezahlte Arbeit nur mit dem Nettolohn einer Hauswirtschafterin bewertet, von dem sagenhaften Lohn von 9,25€, dann würde das Bruttoinlandsprodukt circa 40% höher ausfallen.

00:05:02 Susanne Klingner:

Unsere Wohlstandsmessung in Deutschland ignoriert mit der Care-Arbeit also einfach 40% der Wirtschaftsleistung und das ist kein deutsches Phänomen, sondern weltweit so. Negative Konsequenzen hat es vor allem für Frauen. Ein paar Zahlen: Frauen leisten drei Viertel der unbezahlten Care-Arbeit, während Männer entsprechend nur ein Viertel davon übernehmen.
Weltweit verbringen Frauen täglich über 12,5 Milliarden Stunden mit unbezahlter Fürsorgearbeit.
Würde man diese Arbeit auch nur mit dem Mindestlohn bezahlen, wären das über 11 Billionen US-Dollar pro Jahr, also eine elf mit zwölf Nullen. Oder anders gesagt: Diese Summe wäre 24 Mal größer als der Umsatz der Tech-Riesen Apple, Google und Facebook in 2018 zusammen. Doch wie kommt es überhaupt, dass diese Arbeit vor allem von Frauen geleistet wird?

00:05:55 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Dazu muss man mal einfach nochmal so einen Blick zurück in die Geschichte werfen, das war ja nicht immer so. Im Übergang zur Industriegesellschaft ist es eben dann auch dazu gekommen, und zwar finde ich, dass das ein richtiger taktischer Schachzug der Architekten der Nationalökonomie war, also sämtlichen fürsorgenden Tätigkeiten einfach das Prädikat abzusprechen produktive Arbeit zu sein. Und das Ganze ginge einher mit dieser Geschlechterrollenzuweisung, also dass Frauen jetzt quasi sich voll auf diesen Privatbereich konzentrieren sollten und auf diese reproduktiven Tätigkeiten und die Männer dann außerhäuslich die Erwerbsarbeit verrichten, die als richtige Arbeit gilt. Und das zeigt, dass hier einfach die kapitalistische Akkumulation von Kapital, genau auf diese Ressourcen zurückgreift, ohne sich an deren Finanzierung angemessen zu beteiligen. Und das ist Prinzip, das ist Strukturprinzip. Das ist nicht zufällig oder weil man das mal so irgendwie vergessen hat, sondern darauf beruht diese Gesellschaft. Das ist eigentlich der Punkt.

00:07:06 Susanne Klingner:

Okay. Also das muss man sich nochmal auf der Zunge zergehen lassen. Unser Wirtschaftssystem beruht essentiell auf einer alltäglich geleisteten Arbeit, die in der Messung ihres eigenen Erfolgs, also des Wohlstands der Gesellschaft, gar nicht vorkommt. Schlimmer noch, diejenigen, die diese Arbeit leisten, werden dafür wirtschaftlich und gesellschaftlich sogar noch benachteiligt.

00:07:30 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Die negativen Konsequenzen für Frauen sind vor allen Dingen, dass sie trotz ihrer guten Ausbildungsabschlüsse, die sie haben, in dem Moment, wo sie diese Sorgearbeit übernehmen, weil zum Beispiel ein Kind geboren ist, sehen wir auch in Paarbeziehungen, wo vor Geburt des Kindes auch die Unterschiede in den Einkommen relativ gering waren, dass die unbezahlte Sorgearbeit dann doch ganz wesentlich von den Müttern wieder übernommen wird, was in der Konsequenz bedeutet, dass sie auch sehr schlechte Chancen haben auf den beruflichen Wiedereinstieg. Das ist das eine. Das bedeutet am Ende auch schlechtere Rentenanwartschaften und dass zum Beispiel die Gruppe der alleinerziehenden Mütter ein besonders hohes Armutsrisiko hat, hängt natürlich damit auch ganz stark zusammen.

00:08:25 Susanne Klingner:

Die Benachteiligung von Frauen setzt sich auch in der Zeit nach dem beruflichen Wiedereinstieg fort. Wenn sie versuchen Kindererziehung, Hausarbeit und Erwerbsarbeit miteinander zu vereinbaren.

00:08:36 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Das erzeugt Zeitnot, das erzeugt schlechtes Gewissen, das erzeugt auch gesundheitliche Beeinträchtigungen bei denen, die versuchen, das unter einen Hut zu bringen. Und führt eben in der Konsequenz dazu, bei denen die sich's leisten können, dass die Frauen dann eben vor allen Dingen sagen: „Ne, den Stress mache ich mir jetzt nicht. Ich gehe jetzt auf Halbtag, mein Mann verdient ja einigermaßen, da kommen wir schon hin.“ Also das hat ja auch diese Konsequenzen und wenn solche Beziehungen dann scheitern, sind die Frauen einfach auch heute in einer ganz, ganz schlechten Situation.

00:09:08 Susanne Klingner:

Das betrifft nicht nur das Thema Kindererziehung, wie uns Uta anhand der sogenannten Sandwich-Generation erklärt.

00:09:15 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Frauen, die so, sage ich mal, ihre Kinder jetzt gerade aus dem Gröbsten raus haben und sagen, jetzt möchte ich aber nochmal in meinem Beruf richtig zulegen, weil ich ihn auch gerne mache und dass sich dann schon wieder die Unterstützungsbedarfe für die eigenen Eltern oder die Schwiegereltern andeuten. Das wird dann in der Regel auch wieder so gelöst in Anführungsstrichen, dass diese Frauen einfach dann ihre Erwerbsarbeit deutlich zurückschrauben oder eben auch ganz aufgeben.

00:09:44 Susanne Klingner:

Wie wir Care-Arbeit in der Gesellschaft momentan aufteilen, hat also vor allem negative Konsequenzen für Frauen. Sie sind häufig finanziell von ihrem Partner abhängig und nicht selten droht ihnen bei einer Trennung ein Absturz in Armut oder Altersarmut. Es bedeutet aber auch, dass Frauen sich beruflich weniger verwirklichen können. Oder dass die berufliche Verwirklichung auf Kosten der eigenen Gesundheit und des eigenen Wohlbefindens geht, weil sie in der Regel mit enormem Stress verbunden ist. Aber auch für Männer hat diese einseitige Aufteilung der Care-Arbeit erhebliche Konsequenzen.

00:10:17 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Auf der anderen Seite, wenn man sich die Situation von Männern anschaut, wird denen durch diese Fixierung auf Erwerbsarbeit eigentlich auch ein wichtiger Teil ihrer Persönlichkeit oder der Möglichkeiten sich auch zu empathischen Erwachsenen zu entwickeln, wird ein Stück weit auch eingeschränkt. Wir wissen, auch selbst wenn Väter, junge Väter, sich jetzt partnerschaftlich mit ihren Frauen die Arbeit im Haushalt angemessen teilen wollen oder die Erziehungsarbeit, dass sie dann in der Arbeitswelt dargestellt werden als Leute, die eben keine Karriereorientierung haben, die vielleicht auch mit solchen Vorwürfen, wie, das ist ja ein Weichei oder so, rechnen müssen.

00:11:07 Susanne Klingner:

Von Frauen wird also erwartet die unbezahlte Care-Arbeit mit den angesprochenen hohen Kosten zu übernehmen. Gleichzeitig erlaubt die Vorstellung eines männlichen Allein- oder Hauptverdieners es Männern, entgegen ihrem häufigen Wunsch, nicht mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. In Deutschland beispielsweise verbringen Frauen 52,4% mehr Zeit mit Care-Arbeit als Männer. Sobald mindestens ein Kind im Haushalt lebt, steigt dieser Wert auf sagenhafte 83,3%.

00:11:38 Musik

00:11:46 Susanne Klingner:

Und das ist nicht nur in Deutschland der Fall. Die Erwartung, dass vor allem Frauen und Mädchen für die Kinderbetreuung, die Versorgung von Älteren und Kranken und den Haushalt zuständig sind, führt weltweit zu einer Ungleichheit zwischen den Geschlechtern.
Darüber haben wir auch mit Purity Jebor von der Nichtregierungsorganisation Youth Alive! Kenya gesprochen. Youth Alive! Kenya setzt sich insbesondere für Jugendliche, ihre Interessen und Möglichkeiten der Beteiligung in Gesellschaft und Politik ein. Purity ist verantwortlich für das sogenannte WE-Care Projekt, das Youth Alive! Kenya in Zusammenarbeit mit Oxfam Kenia in zwei informellen Siedlungen in Nairobi durchführt. Im Projekt geht es darum, ein stärkeres Bewusstsein für unbezahlte Care-Arbeit in Kenia zu schaffen, um Care-Arbeit zu reduzieren und zwischen Paaren umzuverteilen.

00:12:34 Purity Jebor:

Ich denke, im Kern wird unbezahlte Care-Arbeit in Kenia immer noch als selbstverständliche Gefälligkeit verstanden. Durch die Erziehung lernen Männer schon als Jungs, dass Care-Arbeit die Aufgabe der Frauen ist. Als Junge wachse ich also auf und weiß, dass ich mich nicht mit der Care-Arbeit beschäftigen muss.

00:12:56 Susanne Klingner:

Youth Alive! Kenya setzt daher ganz bewusst bei der Arbeit auf der kleinsten Ebene der Gesellschaft an, in den Familien.

00:13:03 Purity Jebor:

Ein weiterer Pluspunkt für uns ist, dass sich die Einstellung zu Care-Arbeit in den Familien ändert. Männer sagen mittlerweile tatsächlich:“ Ich verstehe jetzt, warum ich mich an der Care-Arbeit beteiligen muss. Ich verstehe jetzt, warum unsere Kommunikation schlecht ist, wenn ich nach Hause komme. Es liegt daran, dass meine Frau den ganzen Tag lang Hausarbeit erledigt hat und ich komme nach Hause und erwarte Essen auf dem Tisch. Ich erwarte, dass ich wie ein Besucher behandelt werde, aber jetzt verstehe ich, warum auch ich mich im Haushalt beteiligen muss. Es hat sich sogar unsere Beziehung zueinander verbessert. Wir sind uns also näher, denn wenn du mit deiner Frau gemeinsam Arbeit erledigst, hast du mehr Gelegenheit, dich miteinander zu unterhalten. Allein diese Veränderung macht uns glücklicher und stärkt unsere Bindung als Paar.“
Wenn Männer also anfangen ein Verständnis für unbezahlte Care-Arbeit zu bekommen und diese Arbeit anerkennen, nicht als eine Verantwortung, sondern als eine Pflicht sich zu beteiligen, damit ihre Ehefrauen Zeit haben sich für politische Maßnahmen rund um unbezahlte Care-Arbeit einzusetzen.

00:14:16 Susanne Klingner:

Purity war überrascht vom Erfolg dieser Arbeit.

00:14:20 Purity Jebor:

Ich hätte nie erwartet, dass Männer irgendwann einmal tatsächlich die Hausarbeit übernehmen würden und dass die Regierung versteht, wie wichtig es ist, Männer genau davon zu überzeugen.

00:14:36 Susanne Klingner:

Doch Youth Alive! Kenya setzt sich nicht nur für die Umverteilung von Care-Arbeit innerhalb von Familien ein. eines ihrer zentralen Anliegen ist auch, Frauen mehr Raum für politische Beteiligung zu verschaffen. Doch wo ist da jetzt der Zusammenhang mit Care-Arbeit?

00:14:52 Purity Jebor:

Ich denke, dass unbezahlte Care-Arbeit tatsächlich die größte Barriere ist, die Frauen daran hindert, sich an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. In Afrika sagen wir: Wenn du die Frauen stärkst, stärkst du damit auch die ganze Gesellschaft.

00:15:11 Susanne Klingner:

Frauen leisten also einerseits eine für die Gesellschaft essentielle Arbeit, gleichzeitig sind sie aber von der Möglichkeit, diese zu gestalten, größtenteils ausgeschlossen. Ihr Wissen, ihre Kompetenz und ihre Bedürfnisse werden kaum wahrgenommen und sind damit in Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert. Wie versucht Youth Alive! Kenya nun genau etwas daran zu verändern?

00:15:34 Purity Jebor:

Bereits 2016 haben wir mit Oxfam Kenia ein gemeinsames Projekt umgesetzt, Wezesha jamii. Das ist Kiswahili und bedeutet die Gemeinschaft stärken. In diesem Projekt hatten wir mehrere Hauptziele. Zum einen haben wir uns an die politischen Entscheidungsträger*innen gerichtet. Die zweite Zielgruppe waren Verkäuferinnen und Hausangestellte, da gerade sie viel Care-Arbeit leisten. Denn als Hausangestellte fährt man morgens zu jemandem nach Hause, um dort die Hausarbeit zu erledigen. Nach der Arbeit wartet dann die Care-Arbeit im eigenen Haushalt. Wenn man das zusammenrechnet, verbringen diese Frauen am Ende fast den ganzen Tag mit Care-Arbeit.
Wenn es dann darum geht, politische Entscheidungen zu treffen, sind sie zu müde, um sich daran zu beteiligen und denken, es ist für sie nicht wichtig. Dabei geht es genau hier um die Dinge, die sie am Ende am meisten betreffen.

00:16:30 Susanne Klingner:

Die Frauen wurden also darin geschult, ihre Bedürfnisse an Politiker*innen zu formulieren. Doch welche sind das eigentlich? Und wofür haben sich die Frauen dann genau eingesetzt?

00:16:39 Purity Jebor:

Die Frauen konnten den Bau von neun Kindergärten durchsetzen. Zwei weitere Kindergärten wurden renoviert. Es ging darum, den Kindern eine bessere Bildung zu bieten und dafür zu sorgen, dass sie ausgebildete Erzieher*innen an Bord haben. Sie haben sich also erstens für den Bau und die Vergrößerung der Kindergärten sowie zweitens für die Anstellung von mehr Erzieher*innen eingesetzt.

00:17:08 Susanne Klingner:

Aber es ging nicht nur um eine bessere Kinderbetreuung.

00:17:12 Purity Jebor:

Eine bessere Wasserversorgung war ein weiteres Ziel, für das wir uns erfolgreich eingesetzt haben. Außerdem haben wir dafür gekämpft, eine ganze Reihe von Straßen zu modernisieren und besser befahrbar zu machen. Sicherheit, zum Beispiel durch Straßenbeleuchtung, ist dabei ein wichtiges Thema mit Blick auf die Frauen. Denn es reicht ja nicht, nur eine Straße zu haben, sie muss auch für alle gut nutzbar sein.

00:17:40 Susanne Klingner:

In den informellen, also eher provisorischen Siedlung in Nairobi, wo Youth Alive! Kenya arbeitet, gibt es kaum guten Zugang zu sauberem Trinkwasser und es fehlen gut ausgebaute Straßen. Doch was haben Wasserversorgung und der Ausbau von Straßen mit unbezahlter Care-Arbeit zu tun?

00:17:58 Purity Jebor:

Wenn eine Frau eine Hausangestellte ist und es keinen Zugang zu genügend sauberem Wasser gibt, bedeutet das, dass sie viel Zeit dafür aufbringen muss, Wasser zu holen. Gleichzeitig verdient ihr Mann so wenig Geld, dass es für nicht viel mehr als das Essen reicht. Eine ausweglose Situation. Warum also nicht für eine gute und zuverlässige Wasserversorgung in der Nähe des Hauses einsetzen? Und für bessere Straßen, so verbringen die Frauen weniger Zeit mit Wasser holen, also mit Care-Arbeit, können selbst Geld verdienen und sich politisch einbringen.

00:18:36 Susanne Klingner:

Youth Alive! Kenya unterstützt also Frauen darin, sich für den Auf- und Ausbau von öffentlicher Infrastruktur einzusetzen, um unbezahlte Care-Arbeit zu verringern. Das ermöglicht es Frauen, sich stärker politisch einzubringen, um gesellschaftliche Veränderungen zu erreichen. Bisher fließt aber noch zu wenig internationale Unterstützung in öffentliche Kinderbetreuung. Länder wie Deutschland müssten hier ihren gerechten finanziellen Beitrag leisten.

00:19:05 Musik

00:19:11 Susanne Klingner:

Auch in Deutschland können wir sehen, was es heißt, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen keine Kapazitäten haben, sich für ihre Bedürfnisse einzusetzen. Das Problem kennt auch Nina Harder. Sie ist alleinerziehende Mutter eines viereinhalbjährigen Kindes und sie ist kürzlich von Berlin zu ihrer Mutter gezogen, die ist nämlich an Demenz erkrankt.

00:19:30 Nina Harder:

Also mein Kind ist jetzt viereinhalb Jahre und ich würde sagen, dass sich so langsam vielleicht einige kleine zeitliche Räume wieder öffnen. Aber die geht dann von der Zeit von ihm und mir ab, die ja ohnehin schon begrenzt ist, wenn man arbeitet, frau arbeitet. Es ist extrem wenig Zeit übrig. Also das Arbeitsmodell, das ich hatte, als ich noch in Berlin gelebt habe, wo ich bis vor einem dreiviertel Jahr war, war morgens zur Kita zu fahren, dann von der Kita weiter zur Arbeit, auf der Arbeit irgendwie die Zeit wegzuschneiden, die geht, heißt von meiner Mittagspause so wenig wie möglich übrig zu lassen, soweit ich sie mir denn gegönnt habe, um wieder zur Kita zurückzufahren. Und da war schon das Kind, mein Kind, eigentlich immer somit das letzte, definitiv das letzte von den Kleinen, das abgeholt wurde. Um dann irgendwie nach neun Stunden oder neuneinhalb Stunden frühestens wieder zu Hause zu sein und irgendwie eigentlich die Abendroutine direkt schon einzuläuten. Da bleibt nicht viel Zeit für einen selbst und meistens, ich glaube, das kennen alle, singt man danach irgendwie erschöpft mit in die Kissen.

00:20:33 Susanne Klingner:

Wie schwer sich Care-Arbeit, insbesondere Kindererziehung und die Pflege von Angehörigen, mit Erwerbsarbeit verbinden lässt, hat auch Uta vorhin schon beschrieben. Dabei hat sie aber vor allem von zwei Elternteilen gesprochen, die sich die Kindererziehung und die Erwerbsarbeit untereinander aufteilen. Für Nina gestaltet sich diese Situation nochmal anders. Als alleinerziehende Mutter trägt sie auf zwei Schultern, was sonst auf vier Schultern verteilt wird.

00:20:57 Nina Harder:

Ich bin halt alles. Ich bin Mutter und ich muss aber auch die Vaterrolle in irgendeiner Form füllen. Klar bin ich nur eine Person, aber ich kümmere mich um alles in unserer Beziehung, mach alles, von Fahrradfahren beibringen, Schwimmen beibringen, Haushalt, Geld verdienen. Ich hab die Liebe, aber ich bring auch die Regeln, also es ist der gesamte Alltag von morgens bis abends nonstop.

00:21:21 Susanne Klingner:

Alleinerziehende tragen also auf allen Ebenen die alleinige Verantwortung für ihr Kind oder ihre Kinder. Damit ist ihre Belastung natürlich nochmal größer, als die von Familien mit zwei Elternteilen. Und diese Mehrbelastung sollte auch von der Gesellschaft ausgeglichen werden, damit für Alleinerziehende keine Nachteile entstehen.

00:21:40 Nina Harder:

Trotzdem würde ich mir natürlich wünschen, dass, für mich individuell betrachtet, es kein Nachteil sein dürfte, dass ich Pflegearbeit alleine übernehme, übrigens auch ja nicht nur für mein Kind, sondern auch für meine Mutter. Ich bin zu meiner Mutter gezogen, weil sie eine Demenzerkrankung hat, die zurzeit zum Glück noch nicht schwer ist.

Aber, ja genau, ich, was ich wichtig finde, ist, dass ich nicht finanziell benachteiligt werde, weil ich keiner Vollzeitarbeit nachgehen kann. Ich gehe einer Teilzeitbeschäftigung nach, weil es mir nicht möglich ist, unter anderem, weil die Kita nicht so lange geöffnet hat oder weil ich finde, dass ein Kind einfach nicht neun oder zehn Stunden in eine Kita gehört. Und damit bin ich in so vielen Aspekten benachteiligt, zum Beispiel, was meine Altersvorsorge angeht. Ist ja ein großes Thema für alleinerziehende Menschen.

00:22:30 Susanne Klingner:

Ein wichtiger Baustein kann hier eine Umverteilung zwischen Haushalten und dem Staat sein, durch eine gut ausgebaute öffentliche Kinderbetreuung. Uta sagt dazu, dass gut ausgebildete Frauen in unbezahlter Care-Arbeit zu Hause bleiben, während Politik und Wirtschaft über Maßnahmen gegen Fachkräftemangel diskutieren, ökonomisch gesehen ist das totaler Quatsch. Frauen sollten jederzeit in ihren Job zurückkehren können, wenn sie das möchten.

00:22:55 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Nur wenn das aber wirklich auf einem guten Niveau passieren soll, dann bedeutet das auch wieder, dass unsere Gesellschaft die Frage überzeugend beantworten muss, wie wir eine wirklich gute, ergänzende Betreuungsinfrastruktur schaffen rund um den Haushalt herum. Ja, das ist wichtig, damit Frauen ihre erworbenen Bildungs- und Qualifikationspotentiale auch einbringen können und damit auch eigenständige Einkommen erzielen. Und das ist eben auch ein ganz interessanter Befund aus der Paarforschung, dass Frauen auch in Bezug auf die Verteilung von unbezahlter Hausarbeit, Sorgearbeiten, ganz andere Verhandlungsmacht haben, wenn sie eben auch eigenes Geld einbringen. Sie haben ja eine ganz andere Art dann auch zu sagen, hör mal, wir müssen das irgendwie ein Stück weit jetzt anders regeln und wenn du es nicht machst, dann müssen wir's eben auslagern und dann eben überlegen, wie viel wir von unserer beidseitigen Einkommen auch bereit sind, dafür zu bezahlen, damit die Leute, die dann diese Sorgearbeit übernehmen, eben von dem Lohn auch ihren Alltag gut gestalten können und ihr Leben.

00:24:11 Susanne Klingner:

Karriere und finanzielle Sicherheit sind für Nina beim Thema Kinderbetreuung und in der gesamten Sorgearbeit jedoch immer nur ein Aspekt des Ganzen.

00:24:20 Nina Harder:

Es kann uns befähigen. Es kann uns befähigen als erwachsene Menschen uns mehr zu verwirklichen, Karriere zu machen vielleicht oder mehr finanzielle Sicherheit zu generieren, die ja auch wichtig ist für soziale Teilhabe, gesellschaftliche Teilhabe. Aber es geht ja am Ende einfach nicht nur um mich, kann es auch gar nicht, dafür ist es ja Sorgearbeit. Ich sorge um jemand, der oder die das nicht von sich aus mehr oder nicht, noch nicht, kann. Und das heißt, das Wohl muss ja eigentlich genauso wichtig sein, zumindest wie das von mir. Das ist auch so ein Punkt, also selbst wenn ich einen Platz für mein Kind habe und sage, ich schicke den 35 Stunden die Woche dahin, was eine volle Arbeitszeit für einige ist, darf ich doch nicht davon ausgehen, dass meinem Kind an dem Ort alles gegeben wird, was es braucht.

00:25:07 Susanne Klingner:

Eine gute Kinderbetreuung kann also nur ein Teil der Lösung sein. Letztlich müssen wir uns als Gesellschaft eher fragen, was uns Care-Arbeit eigentlich wirklich wert ist? Uta meint:

00:25:18 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Meines Erachtens steht und fällt eine Veränderung damit, dass die globale Ökonomie grundsätzlich neu ausgerichtet werden muss. Care-Arbeit muss der Ausgangspunkt von wirtschaftlichem Handeln werden und das ist es jetzt nicht. Also das ist wirklich eine richtige Herkulesaufgabe, sage ich jetzt. Aber das wird natürlich nicht so im Umlegen eines Schalters oder der durchgängigen Veränderung sofort zu erreichen sein. Dem vorgelagert sein muss so etwas wie, was wir jetzt mit der Fridays for Future Bewegung ja erlebt haben, sowas bräuchten wir eigentlich für diesen Care-Bereich auch, also so einen Bewusstseinswandel.

00:25:57 Susanne Klingner:

Auch Nina wünscht sich, dass in der Gesellschaft anders auf Care-Arbeit geblickt wird.

00:26:03 Nina Harder:

Ich denke, das ist eigentlich die größte Hürde sowieso auch in der Überwindung dieses, ja der Probleme ist, dass wir ein neues Bild brauchen von unserer Gesellschaft, was Verantwortung für andere Menschen angeht. Und ich finde, man kann einfach auch nicht erwarten oder die Gesellschaft sollte sozusagen nicht mit der Erwartung an uns alle herantreten oder das so weiter vor uns hertragen: naja, dann kommen die halt ins Pflegeheim und die anderen in die Kita und damit ist die Sache doch geritzt, wir können der Wirtschaft wieder dienen. So, das ist eine Knechtschaft, das kann einfach nicht sein, dafür sind wir nicht geboren, dass wir in Institutionen aufwachsen und sterben. Da habe ich einfach eine andere Haltung zu. Vielleicht bin ich dann auch irgendwie manchmal Träumerin und finde dann von dem Niko Paech, die Vision ganz toll, dass wir alle einfach nur 20, also 50%, 20 Stunden die Woche oder ähnliches, Erwerbsarbeit nachgehen und andere 20 Stunden halt eben für das Gemeinwohl da sind. Und da zählt dann sowas wie Kinderbetreuung, Pflege von Älteren, aber eben auch zum Beispiel Subsistenzwirtschaft drunter. Das wäre ein Traum, aber das ist wohl noch ein langer Weg dahin.

00:27:15 Susanne Klingner:

In unseren Gesprächen mit Nina und Uta kommen wir also immer wieder auf ein Thema zurück. Es braucht einen Wertewandel in der Gesellschaft. Klingt tatsächlich nach einer Mammutaufgabe und deshalb ist auch die Frage, wie kommen wir da hin?

00:27:31 Musik

00:27:36 Susanne Klingner:

Über politische Teilhabe, sagt Purity. In der Arbeit von Youth Alive! Kenya spielt sie daher eine zentrale Rolle. Dabei geht es zunächst darum, in der Politik überhaupt ein Bewusstsein für die Lebensrealität der Bewohner*innen der informellen Siedlungen zu schaffen. Wie sieht das konkret aus?

00:27:52 Purity Jebor:

Also zunächst einmal konnten wir politische Entscheidungsträger für bestimmte Themen sensibilisieren. Was für uns bereits ein zentraler Punkt ist. Schon allein dadurch, dass sie an unseren Sitzungen teilnehmen und plötzlich direkt von den Familien hören, was es bedeutet, wenn man keinen Zugang zu bestimmten öffentlichen Dienstleistungen hat. Und dann sehen sie, wie sie durch ihren Einfluss das Leben dieser Menschen konkret verbessern können. Und genau so ändert sich dann auch ihre Denkweise.

Und hier noch ein tolles Ergebnis des Projekts. Als einer der politischen Entscheidungsträger gesehen hat, dass es in seinem Entwicklungsausschuss auf kommunaler Ebene keine Frauen gab, stand für ihn fest: Ich werde jetzt hinausgehen und den Leuten sagen, dass ich Frauen in meinem Entwicklungsausschuss haben möchte. Jetzt, da ich bereits mit ihnen zusammengearbeitet habe und gesehen habe, was sie können. Warum schlagen sie mir nicht direkt zwei Frauen vor, die an den kommunalen Sitzungen teilnehmen werden und somit selbst mitentscheiden.  Da unsere Frauen bereits darin geschult sind, wie sie die Politik beeinflussen können, wissen sie auch, wie man verhandelt. Und genau deswegen sind die beiden Frauen, die jetzt im Entwicklungsausschuss sind, so unglaublich stark. Sie sorgen jetzt dafür, dass durch die Projekte, die geplant und umgesetzt werden, Care-Arbeit tatsächlich reduziert wird.

00:29:23 Susanne Klingner:

Wow. Was Purity hier beschreibt, klingt eigentlich so einfach und trifft dennoch genau den Kern des Problems. Denn erst wenn die Bedürfnisse von Menschen sichtbar werden, spielen sie in Gesellschaft und Politik tatsächlich eine Rolle. Um sie aber sichtbar zu machen, müssen diese Menschen eine Stimme bekommen. Was wie das kleine Einmaleins der Demokratie klingt, kommt in der Realität der unbezahlten Care-Arbeit jedoch sehr schnell an seine Grenzen. Denn um diese Stimme überhaupt erheben zu können, um ihr möglichst viel Reichweite zu geben, braucht es Kraft, Zeit und Raum. Blöd nur, wenn genau diese Dinge größtenteils für die tägliche Care-Arbeit draufgehen und am Ende des Tages einfach nichts mehr übrig ist für politisches Engagement. Die Zahlen sprechen Bände. Nur 25% der Parlamentarier*innen weltweit sind weiblich, und auch in Deutschland liegt der Anteil aktuell bei gerade mal 31%. Alleinerziehende erfahren das besonders schmerzlich, sagt Nina.

00:30:21 Nina Harder:

Zurzeit sind wir halt einfach noch eine Minderheit und damit haben wir keine Lobby. Das ist ein tradiertes Bild und das setzt sich auch fort. Grundsätzlich überhaupt das Stigma von Alleinerziehenden.

Ich glaube, dass es extrem viele motivierte und hochqualifizierte Frauen gibt, besonders Frauen in dem Fall ja, weil Alleinerziehende sind 90% Frauen, die tolle Arbeit machen würden, wenn sie die Gelegenheit haben. Oder ich finde diese defizitäre Sicht auf Alleinerziehende extrem schrecklich und würde mir wünschen, dass das Bild verändert wird, denn das ist was, was sich irgendwie historisch festgesetzt hat und davon müssen wir uns noch befreien. Zumal viele Alleinerziehende sehr gut organisiert sind. Im Rahmen des Möglichen, wenn flexible Arbeitsbedingungen gegeben sind, Einblicke in andere Realitäten geben können, die sehr wichtig sind für unsere Gesellschaft und sehr fruchtbar. Ich finde, dass Alleinerziehende echt in irgendeiner Form Superheldinnen sind.

00:31:26 Susanne Klingner:

Unsichtbare Superheldinnen sozusagen, auf deren Superkräfte wir als Gesellschaft verzichten? Kann doch eigentlich nicht sein. An Lösungen mangelt es jedenfalls nicht. Ein schönes Beispiel liefert Uta.

00:31:38 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Es gibt ein Modellprojekt. Das war vom Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter zur Notfallbetreuung für Alleinerziehende. Ausgangspunkt war, dass viele von den Alleinerziehenden gerne ihren Erwerbsumfang gesteigert hätten, aber das nicht konnten, weil sie eben in vielen dieser weiblichen Berufe auch nicht berufstätig sind in diesen üblichen Kernarbeitszeiten, sondern eben zum Beispiel als Krankenschwester eben schon morgens um sieben oder um halb sieben im Krankenhaus sein müssen. Und viele konnten diesen Beruf gar nicht ausüben oder eben auch nur in kleiner Teilzeit, weil unsere Betreuungsinfrastruktur natürlich nur diese Kernarbeitszeiten abdeckt. Und nun kann man ja nicht sagen, okay, dann bringen wir die Kinder halt schon um sechs in die Krippe oder in die Kita, sondern es muss ja auch so gehändelt werden, dass es auch kindgerecht ist. Also haben sie ein Konzept für ein Projekt entwickelt, wiederum ältere Frauen, die diese Randzeitenbetreuung übernehmen und das war ein Riesenerfolg. Die haben Wartelisten ohne Ende gehabt. Was man da machen müsste, wäre diesen ganzen Bereich der haushaltsunterstützenden Dienstleistungen zu professionalisieren und dann wäre das eben nicht eine Rentnerin, die man da glücklicherweise vielleicht findet, die morgens immer schon wach ist, sondern dass man sagt, hier können wir auch völlig neue Berufe schaffen, die sinnstiftend sind.  Also da gibt es so viele gute Beispiele, die aber eben leider immer daran kranken, dass es nach wie vor die Vorstellung gibt, ach eigentlich müssen das Familien doch irgendwie schaffen. Und das führt mich wieder zu dem Punkt, den ich vorhin schon angerissen habe, dieses System beruht auf der unentgeltlichen Ausbeutung dieser Care-Arbeit.

00:33:31 Susanne Klingner:

Gerade in der Corona-Krise hat sich das wieder besonders deutlich gezeigt, wie Uta erklärt.

00:33:38 Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe:

Man versucht jetzt diese Corona Pandemie irgendwie in den Griff zu kriegen, um dann hinterher möglichst so weiterzumachen, wie vorher und das ist einfach dramatisch, also das darf eigentlich nicht passieren.

00:33:50 Susanne Klingner:

Weitermachen wie zuvor, das kann eigentlich tatsächlich keine Lösung sein.

00:33:56 Musik

00:34:01 Susanne Klingner:

Das war die dritte Folge von zeitgerecht, dem Podcast von Oxfam.

In der nächsten und bereits letzten Folge unserer Serie schauen wir uns an, warum die Aus- und Fortbildung von Richter*innen wichtig ist, um Gewalt gegen Frauen zu begegnen. Da jetzt erstmal Weihnachten und Silvester ist, erscheint die vierte Folge in drei Wochen, am 7. Januar.

Wir freuen uns, wenn ihr dafür wieder dabei seid. Die Redaktion und Produktion dieses Podcasts leitet Lisa Ruppel. Redaktion Mara Brückner, Ulrike Pehlgrimm und Valerie Senden. Schnitt und Sounddesign sind von Maximilian Lindert. Technisch wird der Podcast von Filip Nohe umgesetzt. Redaktionell unterstützt uns Sabrina Winter. Die Titelmusik ist von Paul Ott von Die Tonabnehmer, das Cover von Ole Kaleschke. Es sprachen Susanne Klingner und Lisa Ruppel. Herzlichen Dank an Katrin Rönicke von hauseins für die Unterstützung in der Umsetzung des Podcasts.

Eine gerechtere Welt ist möglich, dafür setzt sich Oxfam ein. Dabei sind wir auf Unterstützung angewiesen, damit Oxfam auch in Zukunft politisch unabhängig bleiben kann.
Alle Infos zu Fördermöglichkeiten findest du unter www.oxfam.de/gerechtigkeit-schaffen.
Wenn dir der Podcast gefällt, freuen wir uns ganz besonders, wenn du ihn in den sozialen Medien teilst, wenn du ihn deinen Freund*innen empfiehlst und uns eine gute Bewertung bei Apple Podcast gibst. So können andere den Podcast leichter finden. Also, bis zum nächsten Mal.