Interview mit WASH-Experte Ludwig Gloger

Sonne macht Salzwasser trinkbar

Eine gute Versorgung mit Trinkwasser und Sanitäranlagen (WASH = Abkürzung für Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene) ist ein Menschenrecht. Doch derzeit hat jeder vierte Mensch keinen Zugang zu Trinkwasser und nur gut jeder Zweite zu angemessenen Sanitäreinrichtungen. Das gefährdet die Gesundheit von Millionen Menschen – vor allem in humanitären Krisen

Um die Abhängigkeit von externer Unterstützung und Finanzierung zu reduzieren und die Resilienz der Menschen zu steigern, setzt Oxfam auf nachhaltige WASH-Infrastruktur. Sie minimiert den CO2-Ausstoß, trägt zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Stabilisierung von Konfliktregionen bei. 

Ludwig Gloger, Experte für nachhaltiges WASH bei Oxfam Deutschland, hat kürzlich in Somaliland ein innovatives Projekt besucht, das Oxfam in diesem Bereich umsetzt. 

WASH steht für Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene. Welche Maßnahmen verbergen sich dahinter?

Oxfam setzt unterschiedliche WASH-Maßnahmen um, die Menschen in Notlagen oder strukturell benachteiligten Regionen Zugang zu sauberem Wasser, sicheren sanitären Einrichtungen und grundlegender Hygiene verschaffen.

Für die Bereitstellung von Trinkwasser bauen oder sanieren Oxfam und lokale Partner Brunnen, installieren Pumpen oder bereiten verunreinigtes Wasser auf. Nicht mehr wegzudenken ist der transportier- und leicht aufbaubare Wassertank, den Oxfam entwickelt hat und der aus einzelnen Wellblech-Wandelementen und einem wasserundurchlässigen Textileinsatz besteht. 

Um Menschen sichere und würdige Sanitäranlagen zu bieten, errichten wir außerdem Latrinen mit Mechanismen für die zuverlässige Entsorgung von Fäkalien und schulen die Menschen zu deren Wartung.

Ziel ist, nicht nur Infrastruktur bereitzustellen, sondern auch Wissen und Eigenverantwortung in den Gemeinschaften zu stärken. Damit sich Krankheiten nicht verbreiten, stellen wir Handwaschstationen auf, verteilen Hygiene-Kits mit Seife, Zahnbürsten, Damenbinden, Windeln und Waschmittel und informieren über Ansteckungswege. 

WASH-Maßnahmen sollten zielgerichtet und an die Bedürfnisse von Gemeinschaften angepasst sein.

Wie Oxfam zum WASH-Experten wurde

1962 bohrte Oxfam erstmals Brunnen für palästinensische Geflüchtete in Jordanien und steht seitdem gemeinsam mit lokalen Partnern bei humanitären WASH-Maßnahmen weltweit in vorderster Linie. Allein 2023 konnten 7,7 Millionen Menschen erreicht werden. 

Seit den 1980er-Jahren reagiert Oxfam auf WASH-Bedarfe mit innovativen Lösungen – durch tragbare Technik, Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung und den Oxfam-Wassertank. Auch bei der Verteilung standardisierter Hygiene-Kits sowie bei vorgefertigten und schnell montierbaren Latrinenlösungen hat Oxfam Pionierarbeit geleistet.

Inzwischen übernimmt Oxfam führende Rollen in internationalen Netzwerken wie dem Global WASH-Cluster sowie häufig in humanitären Einsätzen. Eigens entwickelte WASH-bezogene Leitlinien und Schulungen wenden auch andere Organisationen an.

Dabei wird WASH nicht isoliert betrachtet, sondern als Bestandteil eines ganzheitlichen Ansatzes in der Nothilfe – besonders im Zusammenhang mit Ernährungssicherheit, dem Aufbau von Lebensgrundlagen sowie Schutzmaßnahmen für Frauen, Kinder und vulnerable Gruppen.

Oxfam ist führend bei nachhaltigem WASH. Was heißt das und warum ist Nachhaltigkeit hier so wichtig?

Nachhaltig heißt: Oxfam setzt nicht nur auf kurzfristige Notversorgung, sondern fördert dauerhafte WASH-Lösungen mit lokalen Partnern und Gemeinschaften.

Nach einer Katastrophe oder zu Beginn einer humanitären Krise muss schnell gehandelt werden. Trinkwasser wird zunächst – weniger nachhaltig – per LKW antransportiert. So bald wie möglich wechseln wir dann zu mehr Nachhaltigkeit, um den ökologischen Fußabdruck und die Abhängigkeit von externer Unterstützung zu reduzieren. 

Langfristig ist eine höhere Resilienz gegen klimatische oder politische Krisen das Ziel. Wenn möglich stellen wir auf lokale Wassergewinnung, -aufbereitung und -verteilung um, die bestenfalls solarbetrieben ist. Es gibt noch andere, nachhaltige Beispiele aus der Praxis, so ersetzen wir Einweg-Menstruationsprodukte durch recycle- und wieder verwendbare Binden. 

Nachhaltiges WASH umfasst auch das Stärken von Teilhabe, Mitbestimmung und Verantwortung der Menschen vor Ort. Dazu gehört, dass die Gemeinschaften zum Beispiel geschult werden, Betrieb und Wartung von Anlagen zur Wasserbereitstellung oder Sanitärversorgung selbst zu übernehmen. Und es ist auch ökonomisch nachhaltig, denn es ist nur eine Frage der Zeit, dass der verglichen mit teuren Lieferungen per Lastwagen dank lokaler Aufbereitung deutlich günstigere Wasserpreis die anfänglichen Investitionen in Infrastruktur ausgleicht.

Ludwig Gloger, Referent für Wasserinfrastruktur (WASH) bei Oxfam

Ludwig Gloger, Referent für Wasserinfrastruktur (WASH) bei Oxfam

Du warst vor kurzem in der somalischen autonomen Region Somaliland: Dort werden aktuell solarbetriebene Entsalzungsanlagen installiert. Sie machen aus versalzenem Grundwasser kostbares Trinkwasser …

Stimmt, ich habe die ländlichen Gebiete Sool und Sanaag besucht. Die meisten Grundwasserquellen dort sind versalzen. Viele Gemeinschaften nutzen deshalb Regenwasserzisternen für ihre Trinkwasserversorgung.

Niederschläge bleiben allerdings immer häufiger aus und die Speicher sind innerhalb weniger Monate leer. Den Rest des Jahres sind die Menschen entweder auf teure Wassertransporte per Lastwagen angewiesen oder müssen salzhaltiges Grundwasser trinken – trotz enormer Gesundheitsrisiken. Das salzige Wasser ist im Grunde ungenießbar. 

Die Menschen in Somaliland brauchen eine zukunftsfähige, bezahlbare und zuverlässige Wasserversorgung. Mit solarbetriebenen Entsalzungsanlagen ist das möglich: Bis zu 30.000 Personen erhalten im aktuellen, durch das Auswärtige Amt finanziell geförderten Projekt, Zugang zu Trinkwasser. Entsalztes, sauberes Wasser ist nicht nur trinkbar, es kostet auch nur einen Bruchteil von extra antransportiertem Wasser. Als ich vor Ort war, hatten die Anlagen ihren Zielstandort gerade erreicht und wurden angeschlossen.

Damit die Wasserversorgung dauerhaft gewährleistet ist, gehen wir dabei einen neuen Weg auf Basis einer öffentlich-privaten Partnerschaft. Private Unternehmen mit dem nötigen technischen Know-how übernehmen das professionelle Management der Anlagen. Das geschieht unter vereinbarten Rahmenbedingungen mit der öffentlichen Hand.

Der Plan scheint aufzugehen: Ich habe die privaten Partner an drei neuen Entsalzungsstandorten getroffen. Sie haben schon in Infrastruktur zum Verteilen des Wassers investiert, Mitarbeiter*innen eingestellt und Büros eingerichtet. 

Außerdem haben sie zahlreiche Voranmeldungen für Anschlüsse in Privathaushalten. Jetzt müssen die Anlagen hochgefahren werden. Bis der Lückenschluss der Trinkwasserleitungen oder das Errichten von Wasserspeichern abgeschlossen ist, kann die Wasserverteilung per Kanister, Lastwagen oder Eseltransport durchgeführt werden.

Mein Eindruck: Das ist vielversprechend – und kann zum Modell für eine nachhaltige Trinkwasserversorgung in von Konflikten und Klimakrise betroffenen Regionen werden.

Aus Salz- wird Süßwasser – Wie funktioniert nachhaltige Entsalzung?

Entsalzungsanlagen wandeln versalzenes Grundwasser durch Umkehrosmose um: Salzhaltiges Wasser wird mit hohem Druck durch eine halbdurchlässige Membran gepresst, die Minerale zurückhält.

An geeigneten Standorten wie in Somaliland kann der dafür erforderliche Energiebedarf mit Strom aus Solaranlagen gedeckt werden.

An welchen weiteren WASH-Projekten arbeitet Oxfam Deutschland aktuell?

Wir unterstützen beispielsweise Nothilfeaktivitäten in der Demokratischen Republik Kongo, im Südsudan, in Myanmar oder Gaza. Wir sind außerdem an Planung, Vorbereitung und Durchführung von WASH-Projekten im besetzten palästinensischen Gebiet und in Syrien beteiligt. Dazu gehören Betrieb und Instandhaltung von Wasserversorgungsanlagen und Leitungsnetzen sowie Bau und Wiedererrichtung von geschlechtergerechten Latrinen. 

An ähnlichen Projekten arbeiten wir auch im Jemen und in der Sahel-Region. Darüber hinaus betreibt Oxfam intensive Kampagnenarbeit für Wasser- und Hygienerechte und engagiert sich im deutschen WASH-Netzwerk, einem politischen Sprachrohr aus 30 Nichtregierungsorganisationen, die im WASH-Sektor aktiv sind. 

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Dieses Interview erscheint in einer Kurzfassung in der Herbstausgabe unseres Magazins EINS. Lesen Sie hier die neueste Ausgabe.

Das Gespräch führte Annika Brümmer.

Mehr über Oxfams Arbeit im WASH-Sektor erfahren

Zwei Frauen waschen ihre Hände an einer Handwasch-Station im Geflüchtetencamp in Kisalaba (Demokratische Republik Kongo). Die Frauen schauen einander lächelnd an.

WASH: Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hygiene

WASH: Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hygiene
  • Oxfam-Mitarbeiterin Annika Brümmer

    Annika Brümmer

    Projektmanagerin Strategische Kommunikation
  • Ludwig Gloger, Referent für Wasserinfrastruktur (WASH) bei Oxfam

    Ludwig Gloger

    Referent für Wasserinfrastruktur (WASH)