Gemeinwohl muss über Profitinteressen stehen
Die Entwicklungsagenda wird in erheblichem Maße von den Interessen wohlhabender privater Investoren bestimmt. Das zeigt eine neue Oxfam-Analyse im Vorfeld der 4. UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung im spanischen Sevilla – der ersten Konferenz dieser Art seit zehn Jahren. Die Regierungen der reichsten Länder, darunter auch Deutschland, kürzen Entwicklungsgelder so drastisch wie nie zuvor. Oxfam drängt auf neue strategische Allianzen zur Bekämpfung der Ungleichheit, höhere Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit sowie eine Besteuerung der vermögendsten Teile der Gesellschaft.
Während wichtige Entwicklungsgelder gekürzt werden, stehen 60 Prozent der einkommensschwachen Länder am Rande einer Schuldenkrise. Die ärmsten Länder müssen weit mehr Geld für die Rückzahlung an ihre reichen Gläubiger aufwenden, als sie etwa für den Bau von Klassenräumen oder Kliniken ausgeben können. Die Hälfte der Schulden einkommensschwacher Länder entfällt mittlerweile auf private Gläubiger. Oxfams Briefing Paper „From Private Profit to Public Power“ untersucht die Fehler einer auf private Investoren ausgerichteten Entwicklungsfinanzierung. Die Analyse zeigt, dass die von der internationalen Staatengemeinschaft angestrebte Mobilisierung von Privatkapital zum Erreichen der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) bislang ein teurer Irrweg ist. Weder wurden private Finanzmittel in der angestrebten Höhe generiert, noch flossen sie in die Länder, welche die Mittel am dringendsten benötigen.
Tobias Hauschild, Leiter Soziale Gerechtigkeit bei Oxfam Deutschland, kommentiert:
Die UN-Konferenz in Sevilla muss einen Kurswechsel einleiten: Das Gemeinwohl muss über Profitinteressen stehen. Was die Staatengemeinschaft als notwendigen Paradigmenwechsel und als alternativlos bezeichnet hat, war ein Segen für wohlhabende Investoren. 2023 flossen mindestens 263 Milliarden Dollar aus dem Globalen Süden an das reichste Prozent im Globalen Norden. Um Armut und Ungleichheit wirklich effektiv zu bekämpfen, sind mehr staatliche Mittel zum Aufbau starker, geschlechtergerechter Bildungs-, Gesundheits- und sozialer Sicherungssysteme nötig. Deutschland will bei der Bekämpfung der weltweiten Ungleichheit eine Vorreiterrolle einnehmen. Dafür sollte die Bundesregierung verstärkt in diese Bereiche in einkommensschwachen Ländern investieren. Mit den in dieser Woche beschlossenen Kürzungen im Entwicklungsetat sendet die Bundesregierung jedoch das völlig falsche Signal. Deutschland muss seiner moralischen Verantwortung gerecht werden und sich gerade dann für internationale Solidarität einsetzen, wenn sie zu schwinden droht.
Oxfam fordert neue Koalitionen, um gegen extreme Ungleichheit vorzugehen, wie etwa die ,Globale Allianz gegen Ungleichheit‘, die von Deutschland, Norwegen, Sierra Leone und anderen Ländern unterstützt wird. Dafür müssen die Geberländer des Globalen Nordens die katastrophalen Kürzungen in der Entwicklungsfinanzierung rückgängig machen und das internationale Ziel erreichen, mindestens 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftskraft für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen. Die Regierungen müssen zudem die Rolle der Vereinten Nationen im Schulden- und Steuerbereich stärken, um eine nachhaltige Lösung der Schuldenkrise und eine stärkere Besteuerung von Vermögenden zu forcieren.
Redaktionelle Hinweise
- Den Download-Link zum Briefing Paper „From Private Profit to Public Power: Financing Development, Not Oligarchy“ finden Sie unter dieser Pressemitteilung.
- Am 1. Juli findet um 14.30 Uhr im Saal 20 des Kongress- und Ausstellungszentrums FIBES in Sevilla eine offizielle Nebenveranstaltung zum Thema Ungleichheit und Steuerreform statt, an der hochrangige Regierungsvertreter aus Brasilien, Spanien und Südafrika sowie internationale Organisationen und globale Experte*innen teilnehmen. Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier.
- Am 1. Juli um 19 Uhr richtet Oxfam gemeinsam mit dem Club de Madrid in Sevilla eine Veranstaltung aus, an der auch hochrangige Regierungsvertreter*innen teilnehmen werden, unter anderem Dr. Bärbel Kofler, Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ. Bitte melden Sie sich hier an.