Seit 2015 herrscht im Jemen ein andauernder Krieg, der weitreichende Folgen für die Bevölkerung des Landes hat. Ein Großteil der Infrastruktur wurde zerstört und die nationale Wirtschaft ist fast gänzlich zusammengebrochen. Viele Menschen fliehen und leben in unzumutbaren Verhältnissen.
Zur Lage in Aden
Auch in der Hafenstadt Aden (Südjemen) ist die Situation verheerend. Im November 2019 konnte zwar eine einheitliche Regierung gebildet werden. Der Konflikt zwischen den Streitkräften des Southern Transitional Council (STC) und der international anerkannten Regierung stabilisierte sich dadurch. Dennoch kam es erst im Dezember 2020 zu einem versuchten Anschlag auf Regierungsvertreter im Flughafen von Aden. Und die Bevölkerung kämpft weiterhin mit den Auswirkungen der bewaffneten Konflikte. Die gesundheitlichen Risiken sind auf Grund einer mangelnden Wasserversorgung, fehlender Sanitäranlagen und einer überlasteten Abfallentsorgung enorm. Hinzu kommt die akute Mangelernährung der Bevölkerung durch den Verlust von Existenzgrundlagen bei zugleich steigenden Lebensmittelpreisen.
Um die Krise abzufangen, arbeitet Oxfam mit den örtlichen Gemeinschaften und Versorgungsdienstleistern zusammen. Oxfam unterstützt insbesondere dabei, eine besser funktionierende Wasserversorgung sowie Abfallentsorgung zu etablieren und die akute Ernährungskrise zu bekämpfen.
Ausbau von Wasserleitungen und sanitären Einrichtungen
Durch Luftangriffe wurde die städtische Wasserinfrastruktur stark beschädigt: Ein Großteil der Abwasserleitungen muss erneuert werden. Auch Wasseraufbereitungsanlagen wurden geplündert. Große Mengen von Abwasser überfluten deshalb die Straßen und werden unbehandelt ins Meer geleitet. Diese Situation birgt einerseits enorme Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung durch Cholera und andere Krankheiten. Andererseits ist auch die Umwelt samt ganzer Ökosysteme betroffen.
Zur Verbesserung der Lage unterstützt Oxfam den städtischen Wasserbetrieb in Aden, die Local Water and Sanitation Corporation (LWSC), mit Sachmitteln und Fachpersonal. Für das Ziel einer sicheren Abwasserentsorgung werden Abwasserleitungen repariert und wieder nutzbar gemacht und anschließend mit der Hauptpumpstation in Aden verbunden. Und die Organisation Arab Countries Water Utilities Association führt Schulungen für Mitarbeitende des Wasserbetriebs durch. Mit dem hier erlernten technischen und strategischen Fachwissen kann der Betrieb zukünftig die Wasser- und Sanitärversorgung eigenständig aufrechterhalten und langfristig optimieren.
Verbesserte Abfallbeseitigung und mehr Schutz vor Krankheiten
Ein weiterer Bestandteil zur Verbesserung der allgemeinen Gesundheitslage und Hygiene ist zudem die Organisation der Abfallentsorgung. Der städtische Abfallentsorger Aden Cleaning and Improvement Fund (CIF) kommt aufgrund von Plünderungen seiner Sammelfahrzeuge und der öffentlichen Mülltonnen kaum noch mit der Entsorgung hinterher. Unrat und faulender Abfall bilden daher zusammen mit dem Abwasser auf den Straßen ein enormes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung.
In Absprache mit lokalen Partnerorganisationen versorgt Oxfam deshalb sowohl das Personal des lokalen Dienstleisters CIF als auch informell tätige Müllsammler*innen mit angemessener Schutzausrüstung. Dadurch wird einerseits die Gesundheit der Angestellten geschützt. Andererseits kann die Entsorgung effektiver umgesetzt werden.
Auch die Sensibilisierung der Öffentlichkeit zum sicheren Umgang mit dem Abfall schützt vor der Verbreitung von Krankheiten wie Cholera oder Hautinfektionen. Dafür ist unter anderem eine intensivere Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und informellen Dienstleistern nötig. Bei regelmäßigen Treffen und Schulungen sollen zukünftig Strategien für eine gut organisierte Abfallentsorgung und Initiativen zur Aufklärung der Bevölkerung gemeinsam entwickelt werden.
Integration der Muhamasheen-Gemeinschaft
Vor Ausbruch des aktuellen Konflikts im Jemen war insbesondere die Bevölkerungsgruppe der Achdam für den städtischen Abfallentsorger tätig. Die Achdam, die sich selbst als Muhamasheen-Gemeinschaft bezeichnen (zu Deutsch: „Die Marginalisierten“), werden sozial diskriminiert und haben nur eingeschränkten Zugang zu Bildung, einer Gesundheitsversorgung, Wohnraum und Arbeitsmöglichkeiten. In Aden leben sie vorwiegend in unsicheren Unterkünften am Stadtrand, ohne Strom und sauberes Wasser.
In Folge des anhaltenden politischen Konflikts verloren viele von ihnen ihre Einkommensquelle: Der CIF beschäftigte sie nicht weiter. Aktuell sind sie meist in informellen Arbeitsverhältnissen für die Abfallentsorgung zuständig und durch fehlende Schutzkleidung großen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. In Kooperation mit lokalen Expert*innen fördert Oxfam deshalb die Einbeziehung der Muhamasheen-Gemeinschaft. Ihre Mitarbeit in städtischen Verbänden sowie gemeinsame Aktivitäten mit dem CIF verbessern nicht nur die Organisation der Abfallentsorgung. In der Zusammenarbeit können auch nachhaltige Lösungen für die Integration dieser Bevölkerungsgruppe erarbeitet werden. Das stärkt das soziale Zusammenleben in der Stadt.
Stärkung lokaler Märkte für eine sichere Ernährungslage
Auch die Ernährungslage ist in Aden ein großes Problem. Von 997.308 Einwohner*innen sind hier 280.500 Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.
Typisch für eine Kriegswirtschaft ist eine hohe Inflationsrate. Durch diese sind viele Menschen dazu gezwungen, Vermögenswerte zu verkaufen oder sich zu verschulden. Zusätzlich fallen Einkommensmöglichkeiten weg. Und besonders betroffene Bevölkerungsgruppen, wie beispielsweise Binnenvertriebene, aber auch Aufnahmegemeinschaften, haben nicht mehr genügend Geld für den Kauf von Lebensmitteln.
Um diese Situation abzufedern, stärkt Oxfam zusammen mit lokalen Partnerorganisationen die Märkte vor Ort. Zum Beispiel werden kurzfristige Einkommensmöglichkeiten geschaffen. Dadurch werden Menschen unterstützt, die schnell finanzielle Mittel benötigen, um ihren Lebensunterhalt zu gestalten. Außerdem werden kleine Unternehmensgründungen finanziell gefördert.
Die Partnerorganisation Attadhamon Foundation for Development (AFD) führt Schulungen durch, die Unternehmer*innen ein fundiertes Wissen im Bereich der Finanz- und Betriebswirtschaft vermitteln. Zusätzlich wird ein Zusammenschluss der Unternehmer*innen in Verbänden bestärkt. So haben sie zum einen einfacher Zugang zu Schulungen sowie Austausch- und Finanzierungsmöglichkeiten. Zum anderen bietet die Mitgliedschaft eine gewisse Sicherheit für Personen, die ihren Lebensunterhalt unter erschwerten Bedingungen erlangen. Dies betrifft zum Beispiel Frauen, die besonders während des andauernden Konflikts häufiger von geschlechtsbasierter Gewalt betroffen sind.
Auch die Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen sind derzeit unzureichend. Durch die zusätzliche Unterstützung können sich ihre Lebensumstände langfristig verbessern und die Ernährungslage kann sich gesamtgesellschaftlich stabilisieren.
Das Projekt wird von Juli 2020 bis Juni 2024 umgesetzt und mit Mitteln vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert.