

Oxfams Supermarkt-Check 2022
Seit 2018 vergleichen wir regelmäßig, wie es die größten deutschen Supermarkt-Ketten mit den Menschenrechten halten: Wie transparent sind Aldi, Edeka, Lidl und Rewe? Achten sie die Arbeiter*innenrechte in ihren Lieferketten? Wie steht es um den Umgang mit Kleinbäuer*innen? Und inwiefern spielen Geschlechtergerechtigkeit und Frauenrechte eine Rolle?
Das Ergebnis unseres diesjährigen Supermarkt-Checks: Die Supermärkte machen teilweise deutliche Fortschritte. Während sich Aldi, Lidl und Rewe in Sachen Menschenrechte bewegen, bleibt Edeka stur und damit Schlusslicht.
Die wichtigsten Erkenntnisse
Der Supermarkt-Check zeigt: Supermärkte können die Rechte derer schützen, die weltweit unsere Lebensmittel produzieren – sie können ihre Geschäftspolitiken ändern und gleichzeitig weiter wirtschaftlich funktionieren.
Allerdings profitieren die Konzerne weiterhin von Ausbeutung in den Lieferketten. Denn trotz aller Fortschritte hat sich am grundsätzlichen Geschäftsmodell der Supermärkte nichts geändert. Sie nutzen ihre Marktmacht, um die Einkaufspreise bei ihren Lieferanten nach unten zu drücken. Daraus entsteht ein immer höherer Kostendruck bei den Produzenten, die wiederum an den Löhnen der Arbeiter*innen auf den Plantagen und Feldern sparen. Eine andere Preispolitik ist notwendig, damit in den Lieferketten ein größerer Teil der Wertschöpfung bei Arbeiter*innen und Kleinbäuer*innen ankommt.
Das Kernproblem – der Preisdruck auf die Zulieferer – besteht auch bei den am besten abschneidenden Unternehmen wie Lidl und dem britischen Supermarkt Tesco. Auch nach vier Jahren erfüllen sie nur etwas mehr als die Hälfte der Kriterien, die für eine gute Menschenrechtspolitik notwendig wären. Und Konzerne wie Edeka verweigern sogar fast jegliche Verantwortung. Das System Supermarkt steht weiterhin für Ausbeutung.
Konkrete Beispiele
Die zusätzlichen Punkte beim diesjährigen Supermarkt-Check haben die Konzerne vor allem durch neue Unternehmensrichtlinien und mehr Transparenz erreicht. So veröffentlicht Lidl inzwischen alle Lieferanten entlang den Lieferketten für Bananen, Erdbeeren und Tee. Aldi, Rewe und Lidl haben zudem neue Leitlinien für Geschlechtergerechtigkeit veröffentlicht und engagieren sich in Pilotprojekten für existenzsichernde Löhne und Einkommen in den Anbauländern. Die Unternehmen zeigen damit: Sie können ihre Menschenrechtspolitik verbessern.
Edeka bleibt abgeschlagenes Schlusslicht
Bei allen signifikanten Fortschritten fällt auf: Edeka ist nicht dabei! Auch als Oxfam Edeka im Januar 2022 von Missständen bei einem Ananaszulieferer berichtete, zeigte das Unternehmen kein Verantwortungsbewusstsein: Es bestünden keine direkten Vertragsbeziehungen zu diesem Lieferanten und für die Einhaltung der Gesetze seien die lokalen Behörden verantwortlich. Wie in den letzten Jahren verweigert sich Edeka weiterhin einer ernsthaften Menschenrechtspolitik.
Wir brauchen ein europäisches Lieferkettengesetz!
Die Fortschritte der Supermärkte zeigen, dass Unternehmen sich sehr wohl für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in ihren Lieferketten einsetzen können. Doch Blockierer wie Edeka verdeutlichen auch, dass freiwillige Initiativen nicht ausreichen: Es braucht wirksame Gesetze, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.
Ein Schritt in die richtige Richtung ist das 2021 verabschiedete deutsche Lieferkettengesetz. Zum ersten Mal sind die Supermärkte damit verpflichtet, die Rechte der Arbeiter*innen in ihren Lieferketten zu schützen.
Das ist ein Meilenstein, doch das Gesetz hat erhebliche Lücken. So bezieht es sich hauptsächlich auf direkte Zulieferer und gilt bisher nur für sehr große Unternehmen. Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen geschehen aber auch in den Lieferketten kleinerer Unternehmen und ereignen sich häufig an deren Anfang, also auf den Feldern, Plantagen und in den Fabriken. Erst kürzlich hat Oxfam Arbeitsrechtsverletzungen in den Lieferketten aller deutschen Unternehmen im Check nachgewiesen.
Jetzt gibt es die Chance, die Lücken des deutschen Lieferkettengesetzes durch eine ambitionierte EU-Regelung zu schließen. Insbesondere müssen Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen haftbar gemacht werden können, damit Arbeiter*innen ihre Rechte auch vor deutschen Gerichten einklagen können. Allerdings regt sich schon in Deutschland Widerstand gegen das aktuelle Lieferkettengesetz. Wir stellen uns entschieden gegen die Abschaffung: Profit darf nicht auf Kosten der Menschenrechte stattfinden!
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Mehr Informationen zur Methode
Wir analysierten die Geschäftspolitik und den Umgang mit Menschenrechten in den Lieferketten der Supermarkt-Ketten anhand von knapp 100 Bewertungskriterien auf Grundlage der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.
Danach konnten in den folgenden Themenbereichen Punkte erzielt werden:
- Transparenz und Unternehmensführung/-strategie
- Achtung von Arbeiter*innenrechten in der Lieferkette
- Umgang und Handelsbeziehungen mit Kleinbäuer*innen
- Geschlechtergerechtigkeit und Frauenrechte
Auch im internationalen Vergleich liegen die deutschen Supermärkte – außer Edeka – inzwischen auf den vorderen Rängen: Eine deutliche Steigerung im Vergleich zum ersten Supermarkt-Check 2018, als sie international zu den Schlusslichtern zählten. Lidl erreicht inzwischen fast 60 Prozentpunkte und rückt an die Spitzenposition der britischen Kette Tesco heran.
Die Ergebnisse im Detail:
Deutscher Supermarkt-Check 2022 mit Einzelwertungen (Grafik)
Supermarkt-Check international 2022 mit Einzelwertungen (Grafik)
Factsheet Supermarkt-Check 2022
Die häufigsten Fragen
Hier finden Sie unsere Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen.
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Hungerlöhne in Asien, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in Südafrika, gesundheitsschädliche Pestizide in Costa Rica: Überall auf der Welt werden Menschen ausgebeutet, die Lebensmittel herstellen, die wir in unseren Supermärkten kaufen.
Das darf nicht sein! Leid und Ausbeutung dürfen keine Zutat in unserem Essen sein. Supermarktketten müssen endlich dafür sorgen, dass die Menschen, die unsere Lebensmittel herstellen, mit Würde behandelt werden. Um herauszufinden, ob Supermärkte genug dafür tun, dass bei der Herstellung ihrer Lebensmittel Menschenrechte eingehalten werden, veröffentlichen wir seit 2018 regelmäßig unseren Supermarkt-Check.
Damit wollen wir die Öffentlichkeit aufklären und Supermärkte zum Handeln bewegen – Aldi, Edeka, Lidl und Rewe müssen dafür sorgen, dass die Situation der Arbeiter*innen in den Produktionsländern verbessert wird.
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In den vier Jahren seit Oxfams erstem Supermarkt-Check haben die meisten Supermärkte angefangen, Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten ernst zu nehmen und anzugehen. 2018 untersuchte noch keiner der Supermärkte im Check die eigenen Lieferketten im Detail auf Menschenrechtsrisiken oder berichtete öffentlich darüber. Inzwischen führen elf der zwölf Unternehmen diese Analyse durch. Und während 2018 kein Supermarkt die eigenen Lieferanten offenlegte, veröffentlichen inzwischen sechs von zwölf Supermärkten ihre direkten Lebensmittellieferanten – zwei Supermärkte legen zudem für ausgewählte Produkte alle Lieferanten entlang der Lieferkette offen.
Tesco belegt im Check erneut den ersten Platz. Nicht unverdient: 2022 hat das britische Unternehmen eine Partnerschaft mit dem internationalen Gewerkschaftsbund IUF abgeschlossen. Mit dieser Vereinbarung sollen beispielsweise Frauen in Arbeiter*innenvertretungen gestärkt und der Zugang zu geschlechtersensiblen Beschwerde-Mechanismen verbessert werden. Zudem zahlt das Unternehmen allen Bananenlieferanten einen Preiszuschlag für höhere Löhne. Wenn alle bei diesen Lieferanten einkaufenden Unternehmen diesen Zuschlag zahlen würden, hätten tausende Arbeiter*innen existenzsichernde Löhne.
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Fast überall, wo Essen für unsere Supermärkte hergestellt wird, werden Menschen ausgebeutet. Ein schlechtes Abschneiden zeigt also, dass eine Supermarkt-Kette fast nichts dagegen tut, gleichzeitig aber zum Beispiel von Niedriglöhnen profitiert.
Für einen ganzen Tag Arbeit erhalten Arbeiter*innen in Costa Rica bei einem Ananas-Zulieferer von Edeka beispielsweise nur 4,50 Euro – ein Lohn weit unter dem Existenzminimum.
Während deutsche Supermärkte zum Beispiel Tafeltrauben und Wein aus Südafrika zu Niedrigstpreisen einkaufen, werden Arbeiter*innen im südafrikanischen Weinanbau gnadenlos ausgebeutet. Durch Pestizide erkranken sie an Asthma oder Krebs, bekommen teilweise nicht einmal den Mindestlohn und haben kaum Möglichkeiten, ihre Rechte mit Hilfe von Gewerkschaften durchzusetzen.
Oft werden Arbeiter*innen so krank, dass sie nicht mehr arbeiten können. Ohne Job haben sie Schwierigkeiten, ihre Familien zu ernähren, und können sich ihre Medikamente nicht mehr leisten.
Besonders betroffen sind Arbeitsmigrant*innen: Für sie ist es oft schwieriger, sich für ihre Rechte einzusetzen, denn es droht neben Jobverlust häufig auch die Abschiebung. Deshalb sind vor allem sie Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen wie Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt, insbesondere Frauen.
Umgekehrt heißt das: Je besser die Menschenrechtspolitik einer Supermarktkette, desto besser ist dieses Unternehmen in der Lage, für die Achtung der Menschenrechte in Produktionsländern zu sorgen – zum Beispiel durch die Einrichtung von Beschwerdestellen für Arbeiter*innen.
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In unserem Supermarkt-Check haben wir die vier größten deutschen Supermarktketten analysiert: Aldi (Aldi Nord und Aldi Süd), Edeka mit dem Discounter Netto, Lidl (gehört mit Kaufland zur Schwarzgruppe) und Rewe mit dem Discounter Penny. Im Gegensatz zu den Bio-Supermärkten haben die vier großen Ketten auch große Macht: Mit 85 Prozent Marktmacht teilen sie den deutschen Lebensmitteleinzelhandel unter sich auf und kontrollieren ihn faktisch.
Sie sind das Nadelöhr, durch das jeder Produzent muss, um seine Ware auf dem Markt anbieten zu können. Das heißt: Die großen Supermarktketten können Herstellern nach Belieben Vertragsbedingungen auferlegen und unangemessene Rabatte verlangen. Den Preisdruck verlagern die Produzenten dann meist auf ihre Arbeiter*innen. Die Folge: menschenunwürdige Arbeitsbedingungen.
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Wenn ein Supermarkt alle Kriterien aus unserem Supermarkt-Check erfüllen würde, dann würde sich im Idealfall auch die Situation der Arbeiter*innen vor Ort extrem verbessern: Menschen müssten nicht mehr für Hungerlöhne arbeiten. Familien würden genug verdienen, um ihre Kinder zu ernähren und sie zur Schule zu schicken. Arbeiter*innen könnten freie Gewerkschaften gründen – und niemand wäre mehr hochgiftigen Pestiziden ausgesetzt.
Für Sie als Verbraucher*in heißt das: Sie könnten darauf vertrauen, dass die Produkte in Ihrem Einkaufswagen nicht unter Menschenrechtsverletzungen hergestellt wurden.
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Vom Verkaufspreis im Supermarkt geht nur ein sehr kleiner Anteil an die Arbeiter*innen oder Kleinbäuer*innen, die das Produkt hergestellt haben. Ein Beispiel: Vom durchschnittlichen Preis einer Tafel Vollmilchschokolade (0,89 Euro) gehen derzeit zwischen vier bis fünf Cent als Einkommen an die Kakaobäuer*innen in Ghana und der Elfenbeinküste. Würde der Lohn auf einer Kakao-Plantage auf ein existenzsicherndes Niveau angehoben, wäre eine Vollmilchschokolade für Konsument*innen in Deutschland etwa fünf Cent teurer (Quelle: ILG).
Zudem hängen Preisentwicklungen davon ab, ob und inwiefern Unternehmen höhere Kosten auf den Endpreis umlegen. Es müssen nicht alle Kosten für Menschenrechts- und Umweltschutz an Verbraucher*innen weitergegeben werden. Das wäre auch durch eine Umverteilung in der Lieferkette möglich. Supermärkte haben in der Corona-Pandemie beispielsweise Rekordumsätze erzielt. Anstelle von höheren Gewinnausschüttungen an die Eigentümer*innen, könnten sie einen Teil ihrer Gewinne nutzen, um die Menschen in ihren Lieferketten angemessen zu bezahlen und ihre Rechte zu schützen.
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Wir wollen mit dem Supermarkt-Check nicht erreichen, dass niemand mehr bei Aldi, Edeka, Lidl und Rewe einkauft. Der Check soll primär die Supermarkt-Ketten anspornen, bei sich und ihren Lieferanten für die Achtung der Menschenrechte zu sorgen. Sie müssen ihrer Verantwortung gerecht werden.
Beim Kauf von Produkten können Siegel einen Richtwert geben, ob Produkte gerecht produziert wurden. Allerdings gibt es durch die weit verzweigten Lieferketten und die vielen Missstände bei der Überprüfung von Plantagen und Fabriken immer wieder Siegel, die wenig glaubwürdig sind. Ein Schritt in die richtige Richtung sind zum Beispiel mit Fairtrade oder GEPA+ zertifizierte Produkte. Es gibt zwar auch Missstände bei Fairtrade-zertifizierten Produkten, aber mit dem Kauf zeigen Sie den Supermarktketten, dass es Ihnen wichtig ist, möglichst gerecht hergestellte Lebensmittel zu kaufen.
Außerdem können Sie in Bioläden, Weltläden und bei Wochenmärkten gezielt Produkte kaufen, bei denen durch Herkunftsnachweise oder sonstige Angaben eine einigermaßen gerechte Produktion sichergestellt ist.
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Derzeit ist der Einfluss von Ihnen als Verbraucher*in noch begrenzt, da Sie meist gar nicht erkennen können, unter welchen Bedingungen die Produkte in den Supermärkten hergestellt wurden. Deshalb ist Transparenz eines der Kriterien, anhand dessen der Supermarktcheck die Unternehmen überprüft hat. Trotzdem können Sie etwas tun:
1. Nachfragen: Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Gehen Sie in Ihren Supermarkt und fragen Sie nach! Erkundigen Sie sich zum Beispiel darüber, wo der leckere Wein aus Südafrika oder die Bananen aus Ecuador produziert werden und ob die Arbeiter*innen vor Ort faire Löhne bekommen.
2. Politisch aktiv werden: Sie können sich bei politischen Aktionen für Wandel einsetzen und zum Beispiel mit Ihren lokalen Wahlkreisabgeordneten über gerechte Lieferketten sprechen. In den letzten Jahren hat dies dazu beigetragen, dass in Deutschland überhaupt ein Lieferkettengesetz beschlossen wurde.
Inzwischen ist ein ähnlicher Prozess für ein Lieferkettengesetz auf europäischer Ebene angelaufen. Auch hier wollen wir uns gemeinsam mit Ihnen für ein Gesetz stark machen, das die Rechte von Menschen besser schützt als die Profite von Konzernen. Von Social-Media-Aktionen bis hin zu Aktionstagen und Petition – wir haben einiges vor!
Bleiben Sie auf dem Laufenden:
3. Oxfam als Förder*in unterstützen: Für unsere Kampagnen-Arbeit sind regelmäßige Spenden besonders wertvoll. Denn damit können wir langfristig planen und dauerhaft Druck auf Politik und Wirtschaft machen.