Didier, wie bist du zu deiner Arbeit in der Bananenproduktion gekommen?
Das war vor mehr als 40 Jahren. Mein Vater hat damals auf einer Bananenplantage gearbeitet. Auf dem Land ist es normal, dass Kinder bei verschiedenen Arbeiten mithelfen. Ich habe früh Brennholz gehackt oder gemäht. Mit 15 Jahren fing ich an, auf Bananenfeldern zu arbeiten, anstatt weiter zur Schule zu gehen. Das war ein harter Job: Die Arbeit ist sehr körperlich, man ist der Sonne, dem Regen und den Chemikalien ausgesetzt. Die Arbeitstage sind lang und unglaublich anstrengend. Ich fing zunächst bei unabhängigen Produzenten an, dann wechselte ich zu Farmen transnationaler Konzerne wie Chiquita, Dole oder Del Monte.
Wir haben auf den Plantagen in sogenannten bachers gewohnt, das sind kleine Häuser von etwa drei Quadratmetern mit einem Bett, häufig ohne Matratze, wie in einem Gefängnis. Die Plantagenarbeiter*innen waren meist sehr jung. Das war in Limón in der Karibik, wo sich fast die gesamte Bananenproduktion Costa Ricas befindet.
Wie begann dein gewerkschaftliches Engagement?
Ich war ein kämpferischer Arbeiter und habe mich gegen die Ungerechtigkeiten auf der Plantage eingesetzt. Ich trat einem sogenannten „ständigen Ausschuss“ auf meiner Plantage bei. Diese bestehen aus kleinen Gruppen, die die Arbeiter*innen gegenüber dem Unternehmen vertreten sollen. Allerdings haben diese Ausschüsse keine rechtliche Grundlage und bieten kaum Einflussmöglichkeiten. SITRAP habe ich Mitte der 90er-Jahre kennengelernt und bin eingetreten. Seit zwölf Jahren bin Generalsekretär der Gewerkschaft.
Was motiviert dich, gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen?
Die Verletzung von Menschenrechten durch die Unternehmen habe ich am eigenen Leib erfahren: Als mir eine Machete ins Bein schnitt, sagte mir der Vorgesetzte, ich solle die Plantage verlassen, weil sie nur gesunde Arbeiter brauchen und keine Verletzten. Das hat mich sehr geprägt. Ein anderes Mal hatte ich drei Monate jeden Tag durchgearbeitet, meine Füße brannten, es regnete stark, ich war müde und fühlte mich krank. Als ich um sechs Uhr abends aufhören wollte, sagte mein Vorgesetzter zu mir: „Du bist angestellt, um diese Ladung vollzumachen. Mir ist egal, ob dir die Beine abfallen. Du arbeitest weiter!“. Ich weiß auch, was es bedeutet, wenn Pestizide versprüht werden, sogenannte Nematizide. Viele von uns haben sich dadurch vergiftet.
Vulnerable Gruppen sind der Unterdrückung und Ausbeutung besonders ausgesetzt. Es gibt beispielsweise Unternehmen, die nur Menschen ohne Papiere beschäftigen. Das macht es leicht, Rechte einzuschränken und zu verletzen: Den Arbeiter*innen wird gedroht, die Migrationsbehörden einzuschalten, sollten sie ihre Rechte einfordern.
Die Möglichkeit, mit SITRAP gegen diese Ungerechtigkeiten zu kämpfen, fühlt sich an wie eine Berufung. Ich bin schon etwas älter, aber mit jedem Tag mehr davon überzeugt, dass ich das Richtige tue. Aus diesem Grund werde ich mit dem gewerkschaftlichen Kampf weitermachen, egal wie schwierig, anstrengend und gefährlich es ist – ich mache das aus Überzeugung.
Das Ziel unseres Kampfes ist die gewerkschaftliche Vereinigungsfreiheit, damit wir durch Tarifverhandlungen und Tarifverträge bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen durchsetzen können. Diese sind weiterhin unmenschlich, was die Löhne, die Gesundheit und die Arbeitszeiten betrifft.
Hat sich für die Landarbeiter*innen in Costa Rica in den letzten Jahren etwas verbessert?
Es hat in der Bananenindustrie einige Fortschritte gegeben. Beispielsweise werden die Wochenenden jetzt besser respektiert. Außerdem gibt es bessere Schutzausrüstung für die Arbeiter*innen. Das hat auch mit internationalen Beschwerden zu tun.
Beim Thema Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz gibt es weiterhin große Defizite. Ähnlich verhält es sich mit der sozialen Absicherung. Zwar sind die Arbeiter*innen oft sozialversichert und formell gegen Berufsrisiken geschützt – leider greifen diese Mechanismen in der Realität aber selten. Erste Fortschritte sind zu erkennen, allerdings ist es immer noch ein langer Weg.
Wie setzt sich SITRAP für die Stärkung von Frauen ein?
Frauen werden oft doppelt diskriminiert, als Frauen und als Mütter. Die Unternehmen sehen sie als wirtschaftliche Belastung, da sie schwanger werden könnten oder neben der Arbeit Kinder und Ältere versorgen. Daraus folgt, dass es viel weniger Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen gibt. Auch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist weit verbreitet.
Sowohl in Ausschüssen als auch auf den Plantagen übernehmen Frauen Verantwortung in unseren Gewerkschaftsstrukturen. Zusätzlich gibt es Workshops für Frauen, hauptsächlich zu Diskriminierung, Führung, Gehältern und natürlich frauenspezifischen Themen.
Hat das Lieferkettengesetz spürbare Auswirkungen auf deine Arbeit?
Wenn sich die Gesetzgebung ändert und die Unternehmen bestimmte Anforderungen erfüllen oder die Bedingungen für die Arbeiter*innen verbessern müssen, leisten sie erst einmal Widerstand. Wir betrachten das Lieferkettengesetz aber als positiv. Auch wenn die Veränderungen nicht direkt spürbar sind, bereitet dieses Gesetz den Weg: Die Unternehmen werden in die Pflicht genommen, ihre Praktiken zu ändern und Menschenrechte entlang ihrer Lieferkette einzuhalten. Das erhöht den Druck.
Du hast zusammen mit Oxfam in Deutschland Beschwerdeverfahren wegen Arbeitsrechtsverletzungen bei costa-ricanischen Produzenten eingeleitet. Wie ist der aktuelle Stand?
Konkret geht es um zwei Beschwerden, eine gegen Lidl und eine gegen Aldi. Die Supermärkte haben sich bereiterklärt zu vermitteln, aktuell sind wir noch mitten in den Verhandlungen. Selbst wenn die Ergebnisse nicht wie erhofft ausfallen, haben wir das Gefühl, gehört und mit unseren Anliegen wahrgenommen zu werden.
Das Lieferkettengesetz bindet die Supermärkte ein und verpflichtet sie zum Dialog. Ich denke, dass das Gesetz ein wichtiges Instrument werden kann, um Fortschritte für die Menschenrechte zu erzielen.
Wie bewertest du die Zusammenarbeit mit Oxfam?
Ich denke, dass Oxfam viele Unternehmen in Deutschland, einschließlich Lidl, Aldi, Edeka und Rewe, auf die schlechte Situation von Plantagenarbeiter*innen aufmerksam gemacht hat. Auch die verantwortlichen Regierungs- und Unternehmensvertreter*innen in Costa Rica wissen, dass es in Deutschland Mitstreiter*innen gibt, die Rechtsverletzungen anprangern.
Die Kooperation stärkt auch unsere Gewerkschaftsarbeit, wodurch wir Stabilität und Anerkennung erfahren. Das hat uns Türen für Dialog und Zusammenarbeit geöffnet. Die Beziehung zu Oxfam ist für uns sehr wichtig und wir möchten sie weiter ausbauen.
Welche Möglichkeiten gibt es über das Lieferkettengesetz hinaus, um die Bedingungen der Arbeiter*innen in Costa Rica zu verbessern?
Costa Rica hatte lange das Image, das glücklichste Land der Welt zu sein: die Schweiz Zentralamerikas, der Garten Amerikas, ein Land, in dem es keine Armee gibt. So wurde in den Empfängerländern unserer Früchte das Bild vermittelt, dass es uns sehr gut gehe. Doch dieses Bild wackelt, auch dank der Zusammenarbeit mit NGOs wie Oxfam. Endlich müssen sich Unternehmen mit den Problemen befassen.
Es ist kein Geheimnis, dass die Supermärkte den größten Anteil des Gewinns aus dem Verkauf von Obst für sich behalten. Die Macht der Konsument*innen besteht darin, dass sie mit ihrem Konsum den Markt beeinflussen können. Deshalb sind sie wichtige Verbündete, wenn es darum geht, die Einhaltung von Arbeitsrechten in den Lieferketten der Produkte, die sie kaufen, einzufordern.
Wollen Sie Oxfams Arbeit für ein globales Lieferkettengesetz unterstützen? Dann spenden Sie jetzt!
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