
Queer Joy: Was ist das und warum brauchen wir mehr davon?
In Berlin haben dieses Jahr am 23. Juli über 150.000 Menschen an der Parade zum Christopher Street Day teilgenommen. Queere Menschen konnten sich und ihre Errungenschaften hier öffentlich feiern.
Doch Events wie dieses und gelegentliche Aufmerksamkeit der Gesellschaft reichen nicht aus. Denn obwohl LGBTQIA+ -Menschen überall Teil religiöser, ethnischer und kultureller Gemeinschaften sind, sind ihre Existenz und ihre Rechte noch immer nicht allgemein anerkannt.
Übersetzung aus dem Englischen
In einer Welt, die von Kriegen, Hungersnöten und anderen Krisen heimgesucht wird, vergisst man schnell die Treiber von Gerechtigkeit und Gleichheit.
Als globale Bewegung, die sich für eine gleichberechtigte und gerechte Welt für alle einsetzt, ist uns Geschlechtergerechtigkeit sehr wichtig. Deshalb wollen wir unseren LGBTQIA+ -Partnerorganisationen und -Aktivist*innen für ihren Beitrag zu sozialem Fortschritt, zur Einhaltung von Menschenrechten und zur Gleichberechtigung danken. Hier ist unsere Meinung dazu, was Queer Joy („queere Freude/Jubel“) bedeutet und warum wir mehr davon brauchen.
Queer Joy ist ein positives Gefühl
Queer Joy ist ein Gefühl, das alle verstehen können, auch Menschen, die sich nicht als LGBTQIA+ -Personen identifizieren. Vielleicht kennen Sie das Gefühl, weil Sie erleben durften, dass Ihre gleichgeschlechtlichen Freund*innen ihren Jahrestag feiern, Ihr*e Arbeitgeber*in eine*n Transgender-Kolleg*in eingestellt hat oder weil Sie ein Stück Torte auf einer gleichgeschlechtlichen Hochzeit gegessen haben.
Queer Joy zu verspüren, ist für LGBTQIA+ -Menschen sehr wichtig. Queer Joy bestärkt sie in ihren Anstrengungen um Anerkennung vor dem Gesetz und in der Gesellschaft. Und noch wertvoller ist dieses Gefühl für LGBTQIA+ -Menschen in Kontexten, in denen Entwicklungen hin zu Geschlechtergerechtigkeit nur begrenzt möglich sind.
Queer Joy ist ein positives Gefühl. Wir empfinden es, wenn wir Anzeichen dafür sehen, dass die Gleichstellung der Geschlechter und Geschlechtervielfalt denkbar werden.
Queer Joy ist kraftvoll
Untersuchungen haben ergeben, dass eine starke feministische Bewegung den größten Einfluss auf die Abschaffung von geschlechtsspezifischer Gewalt auf dem Weg zu Geschlechtergerechtigkeit hat. LGBTQIA+ -Bewegungen sind dabei ein großer und integraler Bestandteil.
Queerer Aktivismus und queere Wissenschaft tragen dazu bei, unser Verständnis von Geschlecht und Sexualität zu erweitern und die Botschaft von Vielfalt, Akzeptanz und Inklusion in unserer Gesellschaft zu verbreiten. Laut aktuellem Stand (2022) ist die „Ehe für alle“ in 30 Ländern rechtlich anerkannt, wobei Chile und die Schweiz die jüngsten Neuzugänge sind. Das lässt uns hoffen!
Queer Joy ist Stärke
Queer Joy kann bestärkend und motivierend wirken, wenn man sich wie Oxfam für soziale Gerechtigkeit einsetzt. Sich mit Themen wie geschlechtsspezifischer Gewalt und „Konversionstherapie“ (Zwang zu Heterosexualität) zu befassen und ständig mit Gegenreaktionen und Hass konfrontiert zu sein, ist für alle Aktivist*innen anstrengend. Der Pride Month (Juni) bietet eine wohlverdiente Pause, in der alle queeren Menschen diese Anstrengungen beim gemeinsamen Feiern etwas ausblenden können.
Und trotzdem ist Queer Joy nicht nur während des Pride Monats spürbar. Die LGBTIQA+ -Community stärkt sich gegenseitig tagtäglich. Jetzt ist es an uns und unseren Regierungen, LGBTQIA+ -Menschen dabei zu unterstützen, dass unsere Gesellschaft zu einem sicheren Ort für alle wird – unabhängig von Geschlechtsidentitäten und sexueller Orientierung.
Queer Joy ist bittersüß
Trotz der Fortschritte, die in den letzten Jahrzehnten weltweit erzielt wurden, sind wir noch meilenweit von einer allumfassenden Gleichstellung der Geschlechter entfernt. LGBTQIA+ -Menschen sind unverhältnismäßig stark von allen globalen Krisen betroffen – von Klimakatastrophen bis hin zu Kriegen. Sie sind von den Auswirkungen der „ignorierten Pandemie“ besonders betroffen, sprich von geschlechtsspezifischer Gewalt sowie von den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie.
Queer Joy ist also definitiv auch bittersüß: Selbst inmitten der Freude über Veränderungen und Fortschritte sollten wir nie diejenigen vergessen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und damit verbundenen äußerlichen Selbstdarstellung oder ihrer sexuellen Orientierung in verstärktem Maße Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen erfahren.
Queer Joy ist unverwüstlich
Manchmal fühlt sich gesellschaftliche Veränderung so an, als würde man einen Schritt vorwärts und zwei zurück gehen. Doch trotz aller Herausforderungen führt der LGBTQIA+ -Aktivismus weiterhin zu positiven Veränderungen. Das Thema Geschlechtergerechtigkeit bewegt die Herzen der Menschen weltweit und sorgt für Denkanstöße.
Queer Joy wird spürbar, wenn ein*e queere*r Künstler*in einen angesehenen Preis erhält, der die Kunst entsprechend würdigt oder wenn ein Lied im Radio gespielt wird, das gleichgeschlechtliche Liebe feiert. Ebenso stellt sich das Gefühle ein, wenn man eine Wahlfamilie hat, auf die man sich verlassen kann, wenn einen die leibliche Familie im Stich lässt. Queer Joy bedeutet, trotz aller Schwierigkeiten einen Schritt nach vorne zu wagen, auch wenn er noch so klein ist.
Queer Joy ist für alle da
Jeder Mensch kann seinen Teil dazu beitragen, eine gerechte und gleichberechtigte Welt für alle mitzugestalten. Gemeinsam mit verschiedenen Teams, Partnerorganisationen und in Kampagnen, die sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, hat Oxfam ein Manifest für Queer Joy erarbeitet. Es soll ausdrücken, wie eine solche Welt für LGBTQIA+ -Menschen aussehen könnte:
Wir hoffen, dass diese Vision viele Menschen – egal ob queer oder nicht – dazu inspiriert, gemeinsam dafür zu sorgen, dieser Welt jeden Tag einen Schritt näher zu kommen!
Das englische Original wurde am 31. Mai 2022 zuerst bei Oxfam International veröffentlicht.